Ursus

Das nasse Zelt in meinem Gepäck ist in meinen Gedanken omnipresent. Zum Glück lässt der Regen nach und es klart auf. Bei einer kurzen Rast, breite ich das Zelt aus und lasse die Sonnenstrahlen ihre Arbeit tun. Die Konturen der Berge rund um mich herum werden durch die Schatten betont. Der eine Gipfel zieht meine Aufmerksamkeit auf sich aufgrund der gut sichtbaren Sedimentschichten. Die Strasse windet sich weiter entlang eines Flusses durch das Tal hoch. Die Tafel der Passhöhe lässt mich wissen, dass es bis zu meiner Schlafstätte nur noch runter geht.

Im abschüssigen Gelände, bin ich mit über 40 Stundenkilometern unterwegs. Die Sonne steht ziemlich tief. Der schnelle Wechsel zwischen Licht und Schatten macht meinen Augen etwas Mühe. Ich bin mir nicht sicher, ob weit vor mir bloss einen Schatten oder ein Tier ist. Der schwarze Fleck bewegt sich tatsächlich. Ich reduziere die Geschwindigkeit und bin froh, dass meine Bremsen keinen Laut von sich geben. Aus sicherer Distanz sehe ich, wie aus dem einen schwarzen Fleck allmählich drei einzelne schwarze Fellknäufel werden. Ich schaue den Schwarzbären zu, wie sie entlang der Strasse gemächlich die Vegetation nach Essbarem durchsuchen. Leider scheut kurze Zeit später ein Motorradfahrer Meister Petz und seine Jungen ins Dickicht. Ich freue mich sehr, endlich mehr Bären zu sehen. Langsam nehme ich wieder Fahrt auf und passiere die Stelle an der die Bären waren. Im Vorbeirauschen erschrecke ich mich genauso ab dem grossen Schwarzbären, wie er sich ab mir. Der kurze Moment, in welchem wir uns gegenseitig in die Augen schauen, kommt mir wie mehrere Sekunden vor.

Rundum sorglos Paket

An der Bell 2 Lodge halte ich und erkunde mich nach den Preisen und dem Angebot. Für etwas mehr als zwanzig Dollar gibt es sowas wie ein rundum sorglos Paket für Radtouren. Nachdem mein Zelt steht, geniesse ich eine herrliche Dusche, die schmutzigen Klamotten nehme ich gleich mit und wasche diese so. Ich beeile mich, da meine Muskeln danach schreien sich von den Düsen im Hot Tub massieren zu lassen. Im Pool offerieren mir Rob und Dan ein Bier, wir stossen auf unsere Reisen an. Sie sind aus Vancouver und machen bloss einen “kurzen” Roadtrip. Einmal hingelegt falle ich unmittelbar in einen Tiefschlaf.

Die Aussichten sind nun umso schöner, da die Hochspannungsleitung ausser Sichtweite ist. Gerne lasse ich mich von einem Schwarzbären aufhalten, der sich neben der Strasse seinen Winterspeck anfrisst. Nach einer Viertelstunde will ich dann doch weiter, lautstark mache ich mich bemerkbar. So zottelt der Bär ganz entspannt davon. Einige Kilometer weiter wartet schon der Nächste darauf von mir abgelichtet zu werden. Dieser geniesst das Rampenlicht und lässt sich durch nichts stören. Einige Minuten verharre ich bis ein Auto kommt. Der Fahrer hält an und bietet freundlicherweise an, neben mir her zu fahren um den Bären sicher passieren zu können.

Dan und Rob überholen mich insgesamt vier Mal in ihrem Truck. Offensichtlich machen sie immer wieder Abstecher auf Feldwegen. Ihre Zurufe motivieren mich im Aufstieg noch eine Schippe nachzulegen. Je weiter ich südwärts rolle, umso mehr sehe ich verwelkte Blumen. Das sonst so wunderbar lila scheinende Fireweed trägt hier schon einen weissen Flaum. Als ich am Shop an der Meziadin Junction vorbeibrause, prüfe ich die Uhr. Es ist kurz vor sieben Uhr. Ich entscheide mich die 60 Kilometer nach Stewart noch anzuhängen.

Schwarze Fellknäuel

Es dauert nicht lange, ehe ich einen weiteren schwarzen Pelz am Strassenrand entdecke. Dieser ist eher klein, so nähere ich mich nicht weiter. Denn die Mutter ist nirgends zu sehen und ich will nicht zwischen sie geraten. Das schwarze Knäuel kommt mir langsam entgegen. Erleichtert realisiere ich, dass es sich um einen Silberfuchs handelt. Nach dem Schnappschuss fahre ich weiter das Tal hinunter. Entlang der Krete der südlichen Bergkette, sehe ich immer wieder die blau schimmernden Ausläufer eines Eisfeldes. Das Sonnenlicht wandert langsam, aber stetig die Nordhänge hoch. Ich bin euphorisiert von den Eindrücken. Ich sehe jede Menge Schwarzbären und Kanadagänse.

Eine Bärenmutter und ihr Junges grasen friedlich am Strassenrand. Obwohl ich mich bemerkbar mache und sie bestimmt auffordere Platz zu machen, schauen sie bloss kurz hoch und grasen weiter. Die Sonne ist schon hinter der Bergkante verschwunden und es wird dunkler mit jeder Minute. Nach einigen Minuten vergeblichen Wartens auf ein Auto, stimme ich zum Berner Marsch an, hole tief Luft und passiere sie auf der gegenüberliegenden Strassenseite. Ich bin auf gleicher Höhe, just in dem Moment steht das Bärenjunge auf seine Hinterbeine, als ob es zum Berner Marsch salutiert. Naja, ich finde es nicht ganz so lustig. Denn dies kann ein Zeichen für Gefahr sein. Die Mutter bleibt ruhig. Mit genügend Abstand atme ich tief durch. Die weitere Abfahrt nach Stewart geht rasant runter bis auf die Höhe des Meeresspiegels.

Es fällt mir richtig schwer mich kurz zu fassen. So folgt übermorgen der zweite Teil.

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