Eine schöne Abfahrt bringt mich leichten Ganges tiefer ins Yukon Territory. Das Tal ist unter dem Namen “Hurricane Alley” bekannt. Dies aufgrund der teilweise heftigen Winde, die schon ganze Trucks von der Strasse gestossen haben sollen. Die Landschaft lässt weit blicken, also ideal um Tiere zu sehen. Leider kommen diese nicht aus ihren Verstecken, einzig ein grosser, prächtiger Rabe sitzt stolz auf der höchsten Baumkrone weit und breit.

Ich setze mir das Ziel den Polarkreis bis zum Abend zu erreichen. Die Landschaft ändert nur wenig, doch die Weite ist einmal mehr beeindruckend. Kurz vor 10 Uhr abends erreiche ich den Polarkreis, natürlich halte ich es auf einem Photo fest. Das Tagesziel ist erreicht. Eine Ration Fertigreis reicht nur knapp um meinen Hunger zu stillen. Der Boden lässt es nicht zu, das Zelt vernünftig abzuspannen, so fahre ich um 23.00 Uhr weiter und mache mich auf die Suche nach einem schönen Platz für mein Zelt. Mein Papalagi rollt ganz gut und die Fahrt entlang der Krete lässt mich förmlich über die Kieselstrasse fliegen. Es geht eine lange Abfahrt runter für eine Flussüberquerung, was für ein Rausch! Doch so langsam wird mir klar, dass ich all dies auch wieder hoch muss. Dennoch ist die Überquerung ein Highlight. Das Licht bringt wunderbare Schattenspiele hervor. Den steilen Weg hoch bis nach Eagle Plains meistere ich dann doch, dies bedeutet Halbzeit für den Dempster Highway. Mein Zelt platziere ich zwischen ausrangierten Maschinen in der Nähe des Hotels. Es ist nach 2 Uhr als ich in den Schlaf falle.

Erwartungsgemäss schlafe ich etwas länger. Mein Paket aus Inuvik hat es zum Glück bis hierher geschafft. Ich geniesse eine kalte Dusche und überlege kurz ob ich rasieren soll, lasse es dann aber sein. Vor der Weiterfahrt gönne ich mir eine deftige Mahlzeit. Einige Motorradfahrer trudeln ein und man kommt schnell ins Gespräch. Es ist nach 14.00 Uhr, als ich alles wieder verstaut habe und losfahre. Der Highway führt mich über Stock und Stein, die Hügel rauf und runter. Entlang der Strasse entdecke ich einige mit Holzpaletten ausgelegten Flächen. Die grossen Ventile in der Mitte der Flächen lässt erahnen, dass es sich um potentielle Ölfelder handelt.

Es kommt langsam so etwas wie Routine auf. Das Aufbauen des Zeltes ist längst keine Herausforderung mehr. Die Suche nach einem Gewächs, um die Lebensmittel ausser Reichweite der Tiere zu lagern hingegen schon. Am nächsten Morgen verzögert sich die Abfahrt, da mein treuer Gefährte meine Fürsorge verdient hat. Ich öle die Kette, justiere den Sattel und die Schaltung nach und kontrolliere alle Schrauben. Das Wetter ist schwer vorherzusehen. Die Wolken hinter mir versprechen kühlen Regen und der klare Himmel vor mir lässt mich hoffen. Während ich die Aussicht am “Ogilvie Viewpoint” geniesse, tragen die starken Winde den Regen herbei. Bei der Plattform treffe ich auf Kim, sie arbeitet als Bauingenieur in Inuvik. Auf der Fahrt von Dawson City bis hierhin, erlitt sie mit ihrem Pickup nicht weniger als vier platte Reifen. Der Dempster Highway ist bekannt für die Unmengen zerfetzter Reifen am Strassenrand.

Eine 10 Kilometer lange Abfahrt lässt meinen Körper Unmengen an Glückshormonen ausschütten. Insgesamt habe ich nun über 500 Kilometer und einige Tausend Höhenmeter in den Beinen und zum ersten Mal ändert die Vegetation merklich. Die Bäume werden höher und stehen gerade. Der Grund dafür ist, dass ich das Richardson Gebirge hinter mir gelassen habe und somit der Permafrost jetzt einiges tiefer unter der Erde liegt. Ich fühle mich grossartig. Die Strasse führt durch ein Tal entlang des Peel River, die Landschaft erinnert mich an einige Szenen aus der Herr der Ringe Trilogie. Nach einem langen Tag im Sattel versuche ich das Zelt aufzustellen und mein Abendessen zuzubereiten. Geplagt von unzähligen Moskitos ist dies wahrlich kein Vergnügen.

Beim Zusammenpacken stören mich die Moskitos mindestens so fest, wie am Vorabend beim Kochen. Eine Weile später, glaube ich nicht was ich sehe. Es ist der erste Radfahrer, der mir begegnet, Motoi Oshima ist auf einem faltbaren Fahrrad unterwegs. Der Japaner ist in Vancouver gestartet, will nach Inuvik und wieder runter fahren. Ich gebe ihm einiges von meinem Proviant und meine Bärenglocke, denn er ist sehr spartanisch ausgerüstet. Er nimmt alles dankbar entgegen und fragt mich nach Bären. Motoi strahlt förmlich vor Abenteuerlust und als er schon einige Meter weiter ist, ruft er laut hinaus: “I love Canada, this is awesome!”. Es ist inspirierend zu sehen, wie er mit seinen wenigen Habseligkeiten glücklich ist.

Zur Abwechslung zu den Trucks, Riesencampern und Pickups passiert mich eine Dame mittleren Alters in einem Smart. Zwei Hunden strecken ihre Köpfe aus dem Fenster und die Dame feuert mich an und gibt mir das Zeichen Daumen hoch. Bei herrlichem Sonnenschein nehme ich den zweitletzten Pass in Angriff. Die Steigung zwingt mich zu einer Pause, diese nutzte ich zugleich um die Kette zum x-ten Mal zu reinigen und zu ölen. Oben angekommen werde ich mit einem atemraubenden Panorama belohnt. Der Pfosten am linken Strassenrand lässt mich wissen, dass es noch 120km geht bis zum North Klondike Highway, als mir ein Rotfuchs entgegen trottet. Als er mich sieht verschwindet er blitzschnell im Dickicht. Ich fahre in den Tombstone Territorial Park ein und sehe einige Vögel, Hasen und wilde Hühner. Die Sonne versteckt sich immer mehr hinter den Berggipfel und färbt den Himmel in den schönsten Farben, als ich den North Fork Pass erklimme.

Ich verbringe zum ersten Mal eine Nacht auf einem Camping Platz. Diese Gelegenheit nutze ich zum Wäsche machen und am späteren Abend schliesse ich mich einer geführten Wanderng zum “Goldensides Gipfel” an. Tommy, ein Angestellter von Parks Canada, begleitet die Tour. Er sah mein Bike zuvor und erzählt mir seine Geschichten, wie er durch Patagonien und Europa geradelt ist. Zwischendurch gibt er mir zudem den Tipp Fireweed und wilde Petersilie für mein Pesto zu pflücken. Zurück im Camp sitzen wir beim Lagerfeuer, geniessen wir unser Essen und Tommy lädt mich für den kommenden Mittwoch ins Pit ein. Es ist Saint Jean Baptiste und da es so viele Quebecois hat in Dawson City, sei dies immer eine gute Party.

Am letzten Tag auf dem Dempster Highway stehe ich mit der Gewissheit auf ein leichtes Ausrollen vor mir zu haben. “Der Wind, der Wind, das Ar$([@(#-kind”: denke ich nur, als ich Berg runter treten muss. Die Aussicht ist von Nebel oder Rauch stark getrübt, so trete ich hart in die Pedalen um endlich wieder Zeichen einer Zivilisation zu sehen. Meine Vorräte sind bis auf drei Liter Wasser und einige hundert Gramm Spaghetti gänzlich erschöpft. Da ich aber kein Brennstoff mehr für den Kocher habe, bringen mir auch die Spaghettis nichts.

Die letzten Kilometer gehen schnurgerade aus und so sehe ich schon früh mein Ziel. Langsam befahre ich die Holzbrücke über den geschichtsträchtigen Klondike River. Die Haare an meinen Armen und beinen stellen sich auf und in meiner Gefühlswelt zündet sich ein Feuerwerk, welches jenem von 2006 in Sydney’s Darling Harbour Konkurrenz macht. Der Dempster Highway und somit 734 Kilometer Schotterpiste liegen hinter mir und mir wird bewusst, dies ist erst der Anfang einer unbeschreiblichen Reise.

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