Heute werden sich Morgan’s und mein Weg trennen. Er fährt durchs Okanagantal Richtung Vancouver und ich folge dem mächtigen Columbia südwärts. Der Start aus Nelson verläuft ziemlich zaghaft. Eigentlich ist es schade, diesen eigenartigen Ort zu verlassen ohne in die Studentenszene einzutauchen. Doch das Foo Fighters Konzert lockt mich heraus. In Castlegar ist dann der Zeitpunkt gekommen, um mich von meinem unterhaltsamen Gefährten zu verabschieden. Der sonst so quirlige und sprachfreudige Morgan wird auch etwas ruhiger. Mit einer kameradschaftlichen Umarmung und dem Wunsch einer sicheren Weiterreise gehen wir beide unseres Weges.
Die vorerst letzte Nacht in Kanada verbringe ich bei der erfrischend unkomplizierten Lorraine in Trail. Meine kurzfristige Anfrage über Warmshowers beantwortet sie freudig mit ihrer Adresse. Kurz vor Sonnenuntergang werde ich mit einer heissen Tasse Kaffee empfangen. Das Fahrrad wird kurzerhand im Keller eingeschlossen und ich kann einmal mehr die kanadische Gastfreundschaft geniessen. Das Ortsbild wird von der riesigen Stahlhütte geprägt, welche die Stadt von einem Hügel überblickt. Die Durchsagen schallen durch den ganzen Ort. Lorraine erzählt, wie jeder Job hier von der Stahlhütte abhängt. Sie arbeitet im betriebseigenen Krankenhaus im Schichtbetrieb und verabschiedet sich deshalb auch früh zu Bett. Ich soll mich wie zu Hause fühlen. Nach einer Dusche lege ich mich ins bequeme Gästebett und bin im Nu weg.
Die Sonne weckt mich aus dem Land der Träume. Besseres Wetter für den Grenzübertritt könnte ich mir nicht wünschen. Rasch sind meine sieben Sachen gepackt und ich bin wieder auf dem Weg. Eine Bank mit dem Blick über den Columbia lädt zum Verweilen ein. Im Süden liegt der Staat Washington und im Norden die Stadt Trail, welche ich hinter mir gelassen habe. Der Columbia war einer der wichtigsten Handelswege für die Hudson Bay Company. Deswegen entstanden entlang dieses Flusses in regelmässigen Abständen Handelsstationen. Dies ist der Ursprung der meisten Ortschaften im nordöstlichen Washington. Vor der Grenze geht es einmal mehr über eine Stahlbrücke, welche tief blicken lässt. Die Fahrbahn besteht aus einem Gitter und der Fluss rauscht unten durch. Die Grenzbeamtin grüsst mich freundlich und fragt nach meinen Papieren. Die üblichen Fragen muss ich beantworten: “Wann waren sie zuletzt in den USA? Wie lange? Wie lange wollen Sie bleiben? Wieviel Bargeld tragen sie bei sich? Haben Sie Früchte mit dabei?” Erwischt. Immerhin, ich darf die Orangen an Ort und Stelle schälen und verschlingen. Danach erhalte ich meinen Pass wieder und Sie wünscht mir eine schöne und sichere Weiterreise.
Es ist schon später Nachmittag, als ich durch Northport rolle. Hier könnte die Fernsehserie “My name is Earl” gedreht worden sein. Dementsprechend rasch will ich den Ort hinter mir lassen. Die sinkende Sonne mahnt mich nach einem Schlafplatz Ausschau zu halten. Ein Schild mit der Aufschrift “come on down to pick grapes” scheint mir einladend. Einige Leute sind damit beschäftigt Kisten abzuladen. Ich frage, ob ich mein Zelt in deren Einfahrt aufstelle darf. Jud meint, dass es wahrscheinlich ginge, doch er will zuerst seine Frau fragen. In der Zwischenzeit packe ich mit an und helfe einige Kisten in einen Kühlraum zu schleppen. Der Lieferant erklärt, dass es sich bei dem Gut um Zitronengurken handelt. Er sucht mir eine reife heraus und ich beisse lustvoll zu. Leicht im Geschmack und saftig finde ich. Jud ist zurück und meint es gehe leider nicht, dass ich mich in ihrer Einfahrt breit mache. Aber ich soll doch mein Zelt im Rasen hinter ihrem Pavillon aufschlagen. Nach einigen Minuten sind alle Kisten verstaut und ich werde zum Nachtessen eingeladen. Die Familie ist herzlich und am Tisch ergeben sich interessante Gespräche. So erfahre ich, dass die Kinder von ihrer Grossmutter zu Hause unterrichtet werden. Der Ort sei nicht mehr das, was früher. Die Zeit des aufstrebenden Northport sind mehr als nur einige Jahrzehnte her. Es soll früher einiges grösser gewesen sein und im engeren Kreis der Kandidaten für die Hauptstadt Washingtons. Alles aufgrund der strategisch wichtigen Lage für den Handel mit Kanada. Doch der Ort wurde das Opfer eines brennenden Infernos. So fiel die Wahl damals auf Olympia, welches etwas südlich von Seattle liegt. Mit gut gefülltem Bauch verkrieche ich mich in mein Zelt.
Der Schlaf ist sehr erholsam bis mich um 01.30 Uhr in der früh ein Geschmatze weckt. Ich traue meinen Ohren nicht und höre genauer hin. Es scheint vom Apfelbaum nur wenige Meter neben meinem Zelt zu kommen. Wahrscheinlich ist es bloss ein Reh oder Hirsch. Nach einiger Zeit des Lauschen wage ich einen Blick aus dem Zelt. Es ist zu dunkel um zu sehen was es ist. Doch es sind keine Beine auf dem Boden zu erkennen. Schnell dämmert es mir, es muss ein Schwarzbär. Nach einer gefühlten halben Stunde später habe ich genug und geh mit Stirnlampe und Taschenmesser bewaffnet aus dem Zelt. Ein kleiner schwarzer Fellknäuel springt vom Baum und macht sich aus dem Staub. Nun kann ich endlich in Ruhe weiter schlafen.
Am frühen Morgen erwache ich zum Geräusch der Regentropfen auf meinem Zelt. Schnell ist alles bis auf das Zelt weggepackt. Dieses lasse ich zum Trocknen stehen, während ich zum Frühstück gebeten werde. Das Haus ist heute deutlich lebendiger. Denn neben den drei eigenen Kindern von Ann und Jud sind nun auch die drei Adoptivkinder mit der Oma zurück. Es ist der erste Vorschultag von Andy und zugleich sein Geburtstag. Nach dem reichen Frühstück mit frischen Früchten aus dem Garten, wollen die Kinder einige Fotos meiner Reise sehen. So rückt die Oma den Stundenplan etwas zurecht und gibt mir eine Stunde für Fotos und Geschichten. Zwischendurch lausche ich der wahrlich berührenden Geschichte der kleinen Victory, die neben mir auf der Bank sitzt. Sie ist jetzt vier Jahre alt, aufgeweckt und voll der Lebensfreude. Sie wurde viel zu früh geboren und wog damals kein Kilogramm. Die Morgenstunden fliegen dahin und der Wind das Zelt sicherlich schon getrocknet. So entreisse ich mich dem warmen herzlichen Esstisch und packe meine letzten Sachen. Die ganze Familie steht schon bereit um mich zu Verabschieden, als die kleine Victory zu mir rennt, mich umarmt und auf die Wange küsst. Ich lade alle ein mich zu besuchen, egal wo und wann ich mich wieder niederlasse. Ich schalte in den tiefsten Gang und pedale die Auffahrt hoch zur Hauptstrasse. Auf halbem Weg werfe ich einen Blick zurück und die Grossfamilie winkt mir nach. Wie stets sind die ersten Kilometer die härtesten. Sobald ein Rhytmus gefunden ist rollt es ganz gut entlang des Lake Roosevelt. Dieser entstand aus dem aufgestauten Columbia.
Mit meinen Beinen wird auch der Tag etwas wärmer. Aufgrund des Aufenthalts bei Judd und seiner Familie kann ich den zurecht gelegten Plan, um es rechtzeitig zum Konzert zu schaffen, einhalten. So fahre ich bis in die Dämmerung bis mich die Dunkelheit zum Stoppen zwingt. Einige wenige Plätze hatte ich unterwegs schon gesehen, wo sich das Zelt aufstellen lässt. Doch so richtig überzeugt hatte mich keiner. Ich stehe oberhalb einer Bootsanlegestelle, welche in einer kleinen Bucht liegt. Der Strand dahinter sieht sehr verlockend aus. Es ist ein Kampf durch Gebüsch und über Böschungen, bis ich auf einer sandigen Anhöhe über dem Strand stehe. Einige Bäume und Büsche geben etwas Deckung zur Strasse. Erst jetzt entdecke ich die wahre Schönheit dieses Ortes. Das Zelt steht unter dem schönsten Sternenhimmel seit Beginn meiner Reise.
Früh beginnt mein Tag. Die Strasse führt mich weg vom Wasser durch einige Indianer Reservate. Alle sprechen von der anhaltenden Dürre und den tobenden Feuern nordwestlich von hier. Die ganze Gesellschaft ist nach wie vor eng mit der Natur verbunden und hängt auch von dieser ab. In erster Linie durch die Jagd und Fischerei, aber auch zunehmend durch den Tourismus. Nach Inchelium geht es über den ersten Pass des Tages. Ein langer stetiger Aufstieg und die brütende Hitze lassen mich schwitzen. Nur wenige Meter vor dem Gipfel schleicht ein Schwarzbär unter der Leitplanke hervor. Bloss um sich ob meines Anblicks wieder dahinter im Dickicht zu verstecken. Dieses Erlebnis lässt mich die letzten Meter zur Passhöhe fliegen. Was folgt ist eine der längsten und rasantesten Abfahrten bisher. An der ersten Verzweigung halte ich, da ein grosses Armeefahrzeug den Weg versperrt. Ein Mann in Uniform fragt mich nach meinem Ziel und erklärt mir den besten Weg dahin. Für mich bedeutet dies zum Glück nur einen kleinen Umweg. Ich frage nach der Lage und er meint, dass es sicherlich noch zwei Wochen dauert bis das Feuer komplett unter Kontrolle sei. Mein Glückwunsch auf baldigen Erfolg wird mit einem trockenen Nicken quittiert. Kurze Zeit später stehe ich erneut an einem Berg und die Sonne ist bereits nicht mehr zu sehen. Diverse Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr kreuzen mich. Die Strassen sind gesäumt mit Schildern, welche den zahlreichen Einsatzkräften danken.
Die Sonne beginnt sich schon wieder zu senken, als ich den letzten Anstieg des Tages in Angriff nehme. Meine Beine fühlen sich einiges schwerer an als am vorigen Berg. Doch die Aussichten machen alle Strapazen wett. Es könnte sich um ein Set des neuen Star Wars Films handeln. Leider gelingt es mir nicht die Farben und atemberaubende Landschaft würdig auf einem Foto zu verewigen. Dies liegt in erster Linie an meiner Ungeduld Grand Coulee zu erreichen. Mit dem Verlauf meiner Fahrt herunter ins Tal wird es immer dunkler. Es sind nur noch wenige Meilen entlang einer stark befahrenen Strasse, als die Dunkelheit die Landschaft um mich herum verschluckt. Dies macht es nicht gerade einfacher einen Platz zum Nächtigen zu finden. So fahre ich vor bis zur mächtigsten Talsperre in Nordamerika. Gerade rechtzeitig um eine doch etwas in die Jahre gekommene Lasershow an der immensen Betonwand zu bestaunen. In einem Land gezeichnet vom Terror, bin ich erstaunt wie frei ich mich um diesen Koloss bewegen kann. Auf der anderen Flussseite kann ich nur wenige hundert Meter von der Staumauer entfernt mein Zelt aufstellen. Niemand passiert mich und so kann ich in Ruhe meinen Schlaf finden.
Der Morgen beginnt mit dem Ausblick auf die viertgrösste Staumauer der Welt. Einige Informationstafeln an deren Fuss lassen mich wissen, dass der Grand Coulee Dam viermal grösser ist als der bekannteste Staudamm der Staaten. Der Weg führt mich neben der Mauer hoch nach Coulee City. Ich bin wieder gut im Zeitplan für das Konzert, so nutzte ich die Zeit um mit zu Hause zu sprechen und einzukaufen. Zum Glück geht es nun sehr flach über das Hochplateau. So kann ich mir gut die Zeit für einige Schnappschüsse nehmen. Die Landschaft ist karg und trocken, die Sonne heizt unerbittlich. Ich schätze und geniesse den Fahrtwind sehr. Trotzdem nimmt mein Wasservorrat rapide ab. Ein kleiner Ort mit Restaurant kommt mir da sehr gelegen, um mich mit einem Burger und Fritten zu stärken, sowie die Wasserflaschen zu füllen. Es ist nicht mehr weit bis Dry Falls, eine der eindrücklichsten Landschaften. Geschaffen vor Jahrhunderten durch die mächtigen Gletscher, welche hier einst das ganze Land unter sich begruben. Weiter südlich führt die Strasse in ein Tal mit langgezogenen Seen. Der Fels zu beiden Seiten scheint rötlich und das Wasser der Seen in einem tiefen blau. Es wirkt alles etwas surreal. Zwischen den Seen entdecke ich ein “For Sale”-Schild. Ein grosses Grundstück mit Flusszugang steht zum Verkauf. Ich schaue mir dies etwas genauer an, schliesslich könnte dieser unberührte Flecken Erden auch für mich interessant sein. In der Tat entschliesse ich mich hier mein Nachtlager aufzuschlagen. Ich bin froh dies einmal nicht in der Dämmerung oder im Dunkeln machen zu müssen. Wie schon zwei Tage zuvor ist es eine klare Nacht. Fernab von Lichtquellen strahlen die Sterne um die Wette. Der dunkelblaue Himmel wird von einem leuchtenden gelbgrünen Schweif geziert. Seit zehn Jahren habe ich die Milchstrasse nicht mehr so gesehen. Ich bin überwältigt und sprachlos.
Die Sonne heizt das Zelt auf und lässt mich in einer Saune erwachen. Es bietet sich mir eine schöne Aussicht mit dem Columbia, der sich durch die Schlucht windet und den hohen Lavafelsen die am Horizont stehen. Das Frühstück geniesse ich, während ich mich in den Sonnenstrahlen bade. Entspannt und heiss geht es weiter entlang des Columbia Rivers. Mit Erreichen der Ortschaft Soap Lake trennen sich der Verlauf des Flusses und mein Weg. Bei einer kurzen Snackpause am Ufer von Soap Lake sprechen mich drei ältere Damen an. Es ist eine Unterhaltung wie jede andere, bis die eine mich fragt: “Kennst du unseren Erlöser?”. Ich antworte etwas ausweichen und sage, dass ich meine zu ahnen von was sie spricht. Relativ lange halte ich meine Meinung für mich. Die zwei anderen Damen verstehen meinen Versuch das Thema zu wechseln und probieren ihre Freundin dazu zu bringen vom Thema abzulassen. Vergebens. Nun, das Thema endete damit, dass sie meinte ich werde von einem Truck angefahren und in der Hölle landen. Kennt ihr diese Momente, in denen man leider erst zu spät die passende Antwort findet? Dies war endlich mal keiner von diesen Momenten. Meine Antwort liess die Dame hoch rot und erzürnt davon stapfen, während sich ihre Freundinnen bei mir entschuldigten. Ich antwortete mit den Worten: “Das erscheint mir wenig Christlich.”.
Die Pause wurde aufgrund des Intermezzo etwas länger als geplant, doch ich bin nach wie vor sehr gut im Zeitplan. Die Landschaft ist nun geprägt von Farmland. Riesige Bewässerungsanlagen rollen über die Felder. Der letzte grössere Ort vor dem Amphitheater ist Ephrata. Die hohen Temperaturen zwingen mich hier zu einer längeren Siesta. In “The Bookery”, einem Café mit einer kleinen Bibliothek fühle ich mich ganz wohl und trinke einen sehr guten Espresso. Beim Bestellen komme ich ins Gespräch mit der Dame hinter mir in der Reige. Evy wohnt schon seit einiger Zeit mit ihrer Familie hier, doch ihre Wurzeln liegen in der Schweiz. Sie spricht in Schweizerdeutsch mit einem charmanten englischen Einschlag. Ich erhalte meine Bestellung und vertiefe mich wieder in die Arbeit an meinem Blog. So lasse ich einige Zeit verstreichen bis ich wieder auf mein Rad steige. Kurz vor Abfahrt kommt Evy nochmals vorbei und gibt mir eine Kopie des neuen Testament. Sie hat es signiert und einige Passagen für mich markiert. Dies ist definitiv eine angemessenere Art seinen Glauben zu teilen, als das Erlebnis vom Vormittag. Erst in den frühen Abendstunden mache ich mich auf radle in den Sonnenuntergang. Nur noch wenige Kilometer vom Amphitheater entfernt, komme ich an hohen Türmen von Heuballen vorbei. Beim Zweiten halte ich an und stelle in dessen Schutz mein Zelt auf. Zur Einstimmung auf das morgige Konzert höre ich selbstverständlich zum Einschlafen Foo Fighters.
Die einzige Sorge die mich diesen Morgen plagt ist, wo ich meine Habseligkeiten während des Konzerts sicher verstaue. Zum Glück bin ich früh morgens schon wach und schau mal auf dem Crazy Horse Zeltplatz rein. Dort herrscht schon munteres Treiben und die Schlange in der Einfahrt lässt sich mit dem Fahrrad bequem umgehen. Doch die Dame am Empfang ist ziemlich gestresst und meint bloss, dass sie ohnehin schon überbucht seien. So fahr ich weiter zum Weingut, welches direkt neben dem Konzertareal liegt. Um die Mittagszeit fahr ich die Allee gesäumt von gepflegten Bäumen hoch und versuche mein Glück beim Restaurantmanager. Dieser meint, dass sie leider keine Plätze für Zelte hätten, lediglich einige Plätze für Wohnwagen in den Rebbergen. Der Platz kostet 130 Dollar. Mein Fahrrad darf ich hier leider auch nicht deponieren.
Ohne Plan und ohne Mittagessen mache ich mich an die Weinverköstigung. Für zehn Dollar kriegt man drei Weissweine und drei Rotweine und das Glas selbst darf man auch behalten. Ein faires Angebot wie ich finde. Die Weine scheinen etwas zu säuerlich für den nüchternen Magen. Etwas Gemüse mit Dip und Brot zum Weisswein oder getrocknete Tomaten und Salami zum Roten würden dem Charakter der Weine einiges helfen. Vielleicht würde egal was, Hauptsache etwas in meinem Magen helfen. Der dritte Weisswein, ein Sauvignon Blanc, besticht mit einem runden und süssen Bouquet. Bei den Rotweinen ist der Syrah bereits eine Steigerung zum Cabernet Franc, doch der Cabernet Sauvignon schiesst den Vogel ab. Ich hoffe es liegt nicht daran, dass es schon das "sekste" Glass ist. Das Weingut mit all seinen Annehmlichkeiten machen einen sehr guten Eindruck. Einzig wie die Dame den Rest aus der Flasche in mein Glas stürzt, zeugt nicht gerade von Klasse. Aber wer will es ihr übel nehmen sind doch alle Anwesenden in erster Linie wegen dem Konzert hier und nicht um Wein zu bestellen. Beim Degustieren komme ich schnell mit den unterschiedlichsten Personen ins Gespräch. Unter anderem Chase und Jason aus Portland. Sie sind es dann auch, welche mir anbieten mein Fahrrad inklusive Gepäck in ihrem Auto einzuschliessen. Der Tag ist gerettet, wobei ich schon die ganze Zeit ziemlich entspannt war.
Jason hat das Ticket zum Konzert von seinen Freunden geschenkt bekommen. Diese warten auch schon vor dem Weingut auf ihn. Wir verladen meine Soletta in Jason’s Subaru und fahren die paar hundert Meter rüber zum Campingplatz des Konzertareals. Dort lerne ich Paula, Becky, Robbie und Paul kennen. Schnell sind alle Zelte aufgestellt und die Stimmung wird mit jedem Bier ausgelassener. Unverkennbar ist auch der Duft der Freiheit, der überall auf dem Areal zu riechen ist. Erst jetzt wird mir bewusst, dass der Konsum von Marijuana in Washington legal ist. Unsere Zeltnachbarn fordern uns zu einer Partie Bier Cricket heraus. Paul und ich stellen uns der Herausforderung und zum Glück wird das Bier. Gespielt wird mit einem Frisbee, die meisten Regeln sind eher unwichtig. Einzig wichtig ist, dass immer ein Becher mit ein bis zwei Schluck Bier in der Mitte steht und natürlich nachgefüllt wird.
Leider haben alle um mich rum nur die allgemeinen Tickets, während ich mir ein Ticket sozusagen fürs Parkett gesichert habe. Mit dem ersten Ertönen der unverkennbaren Gitarre sind alle aus dem Häuschen. Berauscht von der Stimmung und der Musik wird mitgesungen, geschrien und getanzt. Dave Grohl, der sich in Schweden bei einem Konzert sein Bein brach, heizt das Publikum mit einigen Anekdoten zusätzlich an. Es ist sowas wie das Heimspiel auf ihrer Welttournee, welche aufgrund des Zwischenfalls in Schweden mittlerweile bekannt ist als “the broken leg tour”. Den Beginn des Konzerts erlebe ich noch mit allen zusammen in den hohen Rängen des natürlichen Amphitheaters. Die dreistündige Reise mit der perfekten musikalischen Untermalung, brachte mich zum Schluss direkt vor die Bühne. Erst nachdem wirklich Schluss ist merke ich, wie ausgepowert ich bin. Nichts desto trotz sitze ich mit meinen neu gefundenen Freunden noch zusammen und reden über das Konzert, Gott und die Welt.